Turbulente reagierende Mehrphasenströmungen

Institut für Verbrennungstechnik der Luft- und Raumfahrt

Erweiterung des fundamentalen Verständnisses von turbulenten reagierenden Mehrphasenströmungen mittels multiskalarer Laserdiagnostik gekoppelt mit künstlicher Intelligenz-basierten Ansätzen

Im Rahmen der Forschungsarbeiten unserer Emmy Noether Nachwuchsgruppe (DFG - Emmy Noether-Programm) erweitern wir das fundamentale Verständnis turbulenter reagierender Mehrphasenströmungen (GEPRIS). Dieses ist für die Weiterentwicklung sauber, nachhaltiger und umweltfreundlicher Technologien, welche bei Verwendung von CO2-neutralen Flüssigkraftstoffen nahezu emissionsfrei werden, von höchster Relevanz. Für eine effektive Minimierung der Klimawirkung von thermochemischen Energieumwandlungskonzepten ist die Reduzierung von sekundär Emissionen (in engl. sogenannte "non-CO2 effects") wie Stickoxide und Ruß essential. Das Fehlen geeigneter Einspritz- und Verbrennungskonzepte beeinträchtigt jedoch die Realisierung der angestrebten Flexibilität bei simultan geringen Emissionen. Die Komplexität der inhärenten Nichtlinearitäten und multilateralen Wechselwirkungen auf mehreren Skalen geht mit einem Mangel an quantitativ belastbaren Daten einher. Unsere aktuelle Forschung zielt darauf ab, diese Lücke zu schließen:

Wir entwickeln neuartige (z.B. Multi-phase PIV) und kombinieren (z.B. LIF) state-of-the-art Laser-basierte Messtechniken zu innovativen Messsystemen für die simultane Messung der Strömungsgeschwindigkeit der gasförmigen und flüssigen Phase und verschiedener reagierender Skalare. Diese wenden wir auf hochturbulente reagierende Mehrphasenströmungen an. Aufgrund der Komplexität ist die Messtechnik überwiegend fest installiert und das Messobjekt (z.B. Brenner, Injektor) wird traversiert. Die zur Anwendung gebrachte Messtechnik beinhaltet: 

  • Particle image velocimetry (PIV) für turbulente gasphasen Strömungen
  • Phosphoreszenz-basiertes PIV für Geschwindigkeitsmessungen in Mehrphasenströmungen
  • Laser induzierte Fluoreszenz (LIF) für die Messung reaktiver Skalare in der Gasphase
  • Laser induzierte Fluoreszenz (LIF) für die Detektion der Flüssigkeitsphase
  • Elastische Lichtstreuung (ELS) zur Detektion der dispersen Phase.
  • Phasen Doppler Interferometrie (PDI) für die Tropfengrößen, -geschwindigkeit und Spraybild Charakterisierung 
  • Shadowgraphy für die Beschreibung des Primärzerfalls von Kraftstoffsprays und globalen Spraybildes
  • Chemilumineszenz zur Bestimmung von beispielsweise der Flammen Abhebehöhe, Lage und Penetration
  • Strukturierte Laser Illuminierung für die planares Imaging (SLIPI) zur 2D Messung der Tropfengröße und Sprayverteilung.

Zudem kommt eine Vielzahl an Sonden Messungen wie z.B. Thermoelemente, Drucksensoren und Abgasentnahmesonden hinzu.

Obenstehende Messtechniken finden Anwendung in verschiedenen experimentellen Aufbauten, unter anderem:

  • Brennersysteme
  • Injektions- und Strömungskanal
  • Wandfilmprüfstand

Ein primäres Forschungsziel des Emmy Noether Projektes (GEPRIS) ist die Erweiterung der Kraftstoffflexibilität für selbstentzündungsstabilisierten Verbrennungsprozeese (z.B. engl. MILD, FLOX, distributed combustion) auf flüssige erneuerbare chemische Energieträger. Derartige Verbrennungskonzepte bieten im Betrieb mit gasförmigen Kraftstoffen bereits exzellente Flexibilität, Skalierbarkeit und geringe Schadstoffemissionen (insb. NOX und Ruß).  Bei Verwendung von CO2-neutralen Flüssigtreibstoffen (z.B. engl. Sustainable aviation fuels - SAF) können entsprechende Technologien nahezu emissionsfrei werden. Die Technologie-inhärenten hohen Streckungsraten und turbulente Intensität der Gasphasenströmung bieten eine Möglichkeit, die Flüssigkeitszerstäubung zu optimieren und ein feines Tropfenbild über einen breiten Lastbereich zu generieren. Dies erhöht die Verdampfungsraten, reduziert Zeitskalen für die Gemischhomogenisierung und optimiert das Potential der selbstentzündungsstabilisierten Verbrennung hinsichtlich minimaler Schadstoffbildung. Um diese Ziele zu erreichen, untersuchen wir den Einfluss von Turbulenz auf den Primärzerfall, Transport, Verdampfung und Gemischbildung. Hierfür haben wir kanonische Spray Strömungs- und Verbrennungsprüfstande entwickelt, welche die relevante Randbedingungen von selbstentzündungsstabilisierten Verbrennungsprozessen abbilden können. Unsere Forschungsprüfstände lassen sich flexibel mit akademisch vereinfachten (z.B. Jet-in-Crossflow, planare Wandfilme) und technisch relevanten (z.B. Druck-Drall und Prefilming Airblast) Injektionskonzepten ausgestatten. Für unsere experimentellen Untersuchungen nutzen wir eine Vielzahl von optischen und laser-basierten Messverfahren.

Unser Forschungsprogramm widmet sich aktuell unter anderem den folgenden Fragestellungen:

  1. Einfluss der Turbulenz auf den Primärzerfall verschiedener Injektionskonzepte durch gezielte Modulation der Gasphasenströmung mit z.B. fraktalen Gittern und Swirlern. Ziel ist es, Störungen auf Flüssigkeitsoberfläche zu unterdrücken / anzuregen um eine Atomisierung in kleinstmögliche Tropfen zu begünstigen. Projekt aktuell laufend.
  2. Die chemische Zusammensetzung erneuerbarer synthetischer Treibstoffe hat Einfluss auf deren physikalischen Eigenschaften wie Viskosität und Oberflächenspannung. Wir untersuchen systematisch den Einfluss physikalischer Treibstoffeigenschaften u.a. verschiedene konventionelle und synthetische (SAF) Treibstoffe sowie Referenzkraftstoffe (z.B. n-Dodekan), auf die Zerstäubungsqualität verschiedener Injektionskonzepten. Projekt aktuell laufend.
  3. Neben der chemischen Zusammensetzung hat die Treibstofftemperatur einen signifikanten Einfluss auf Viskosität und Oberflächenspannung, begünstigt den Verdampfungsprozess und kann unter Umständen die Gemischhomogenisierung beschleunigen. In diesem Zusammenhang variieren wir die Vorheiztemperatur der Treibstoffe von Raumtemperatur bis hin zur überkritischen Einspritzung. Projekt wird aktuell initiiert.
  4. Untersuchung der Verdampfung und sequenziellen Verdampfung in hochturbulenten Strömungen mit Referenz und Mehr-Komponenten-Treibstoffen hinsichtlich Emissionsbildung.
  5. Einfluss der Umgebungsbedingungen wie Druck und Temperatur auf die Zerstäubung, Gemischbildung, selbstentzündungsbasierte Flammenstabilisierung und Emissionsbildung in turbulenten reagierenden Mehrphasenströmungen mit hoher Karlovitz-Zahl.

Weitere Details

Wir wenden innovative optische Messtechniken und ML - basierte Datenanalysetools an, um Turbulenz - Chemie - Phasen Interaktionen zu quantifizieren.  Unser übergeordnetes Ziel ist, die Turbulenz effektiver zu nutzen, um Kraftstoff zu atomisieren, die Kraftstoffflexibilität zu erhöhen und die Bildung von Emissionen zu verhindern.

Flüssigtreibstoff, Treibstoffdampf und PAH - LIF

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Video-Transkription

Wir entwickeln Datenanalysekonzepte, die auf maschinellem Lernen basieren. In diesem Zusammenhang verfolgen wir mehrere wissenschaftliche und softwaremethodische Ziele:

  1. Entwicklung einer allgemeingültigen experimentellen Datenbasis
  2. Generalisierung von Nachbearbeitungsschritten wie Binarisierung, räumliche und zeitliche Filterung von Daten,
  3. Generierung synthetischer Trainingsdaten aus experimentellen Daten unter Verwendung neuartiger Methoden wie der Domänenrandomisierung.
    1. Entwicklung eines eigenen Datengenerierungsrahmens, der einen vollständigen Datensatz (~10000 Bilder) aus einer Datenbank interessierter Objekte mit geeigneten Annotationsstandards zusammenstellen kann.
    2. Verbesserung des Frameworks durch Parallelisierung und Hinzufügen verschiedener Arten von Datengenerierungsfunktionen.
  4. Kopplung von konventionellen Methoden mit KI
    1. Wir binden KI in unser bestehendes Datenanalysesystem ein:
      • Bildsegmentierung in Signal und Hintergrund mittels Instanzensegmentierung. Hier verwenden wir unter anderem modernste Deep Neural Networks wie Mask-RCNN und SparseInst.
      • Optische Flusserkennung auf PIV-Daten. Wir versuchen, allgemein gebräuchliche SOTA-Modelle (wie RAFT) an unsere PIV-Messungen anzupassen, um Geschwindigkeitsfelder und Verschiebungen genau abzuleiten.
  5. Automatisierung der KI-Modellaktualisierung und der Abstimmung der Hyperparameter
    1. Einbindung von Reinforcement Learning zur automatischen Korrektur falscher Erkennungen und zur Selbstoptimierung im Laufe der Zeit.
    2. Verbesserung des Trainingsprozesses durch automatische Vorauswahl der relevantesten Teile der Trainingsdaten nach Kontext.
  6. Entwicklung einer kompletten KI-gestützten Datenanalyse-Suite
    1. Alle diese separaten KI-Aufgaben werden unter einem gemeinsamen Dach in Form einer industriellen Standard-Software-Suite zusammengeführt.

Wir koppeln experimentelle Daten mit numerischen Simulationen mithilfe von KI-Ansätzen, um die Auflösung im skalren Raum über die gemessenen Größen hinaus zu verbessern.

Wir lockern / re-definieren die Designkriterien von Flüssigtreibstoff-Einspritzkonzepten, um additive Fertigungsverfahren in ihrer Entwicklung effektiv nutzen zu können

Die gewonnen Erkenntnisse werden die Entwicklung kraftstoff- und lastflexibler Verbrennungskonzepte maßgeblich unterstützen, die Skalierbarkeit hin zu Flüssigtreibstoff betriebenen Micro Gas Turbinen Systeme erweitern und unter Verwendung von erneuerbaren Brennstoffen einen nahezu emissionsfreien Betrieb ermöglichen. Derartige Verbrennungssysteme werden Anwendung in beispielsweise innovativen Triebwerkskonzepten (z.B. hybride Systeme) sowie in Gasturbinen zur Stromerzeugung finden. Des Weiteren bieten sie eine risikoarme Lösung zur Dekarbonisierung des Energie-, Industrie- und Transportsektors und sind unerlässlich den aktuellen Standard für Energiesicherheit, kontinuierliche Versorgung und Mobilität bei geringem CO2-Ausstoß zu gewährleisten.

 

Projektlaufzeit

01.01.2022 – 31.12.2027

Weitere Informationen / Teilnehmen

Sie haben Interesse an unserem Projekt, weitere Fragen oder möchten uns im Rahmen von studentischen Arbeiten, Praktika oder Abschlussarbeiten unterstützen, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme per E-Mail oder Telefon. Die entsprechenden Kontaktdaten finden Sie unten.

Ihr Ansprechpartner

Dieses Bild zeigt Fabian Hampp

Fabian Hampp

Dr.

Nachwuchsgruppenleiter

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